Der Wookie von Buckow

von Myriam Wiedemann

In Buckow lebt ein Wookie. Ich habe ihn vor einiger Zeit auf einem meiner Spaziergänge um den See getroffen. Er liebt es ganz besonders, abends, nach seinem Tagwerk, im Garten des Brecht-Weigel-Hauses auf einem Bänkchen zu sitzen, wenn keiner mehr da ist, und auf den See zu schauen und zu meditieren. Er kommt von ganz weit her, vom anderen Ende der Galaxie. Aber er sagt, dass es da auch nicht wesentlich anders ist als hier.

Wir haben uns ein bisschen angefreundet. Anfangs war das seltsam. Ich lebe ja erst seit einem halben Jahr hier in Buckow und schon läuft mir ein Wookie über den Weg. Das ist mir in 25 Jahren Berlin nicht passiert, aber sowas ist jetzt auch nicht so ungewöhnlich für Buckow. Hier gibt es viele erstaunliche Begegnungen, die oft erst im Nachhinein ihren ganz eigenen Glanz entfalten.
Ich treffe mich jedenfalls mit dem Wookie mittlerweile einmal die Woche, abends. Wir sitzen auf dem Bänkchen, schauen auf den See, trinken eine Bionade und unterhalten uns über seine Welt und meine Welt.

Er erzählt mir, dass er es hier gut findet. Es ist gemütlich, ruhig, und er kann tun und lassen, was er will. Er hat ein paar Freunde hier und da und ist auch mit einem Riesen im Oderbruch in Kontakt. Telepathisch. Sie tauschen sich vornehmlich über Literatur aus. Der Wookie ist ein Romantiker, der Riese mag Krimis und überlegt wohl schon seit längerem, ob er selbst mit der Schriftstellerei anfangen soll. Endlich hat er sich ein Herz genommen und sich für einen Online-Kurs in kreativem Schreiben angemeldet. Volkshochschule, sagt er, ist eher nicht so seins.

Der Wookie findet, dass die Natur beseelt ist. Ich frage ihn, wie er das meint. Er hat jedenfalls schon mal eine Elfe gesehen, da ist er mir weit voraus. Ich sage ihm, dass ich ja immerhin ihn getroffen habe, und das ist für meine Verhältnisse ähnlich spektakulär. Er besteht darauf, dass eine Elfe dennoch einen Wookie übertrumpft. ich lass das lieber mal so stehen, denn ich will ihn nicht verärgern. Ein Wookie fängt dann nämlich an zu brüllen, aus tiefstem Herzen, mit großem Schmerz, das könnte ich nicht so gut ertragen.

Ich habe ihm Papier-Stein-Schere beigebracht und wir haben das Spiel um Wookie und Elfe erweitert. Die Regeln müssen wir noch aushandeln. Momentan gewinnen wir beide.

Vor Kurzem habe ich ihn gebeten, mir einmal zu erklären, weshalb er sich als Romantiker bezeichnet. In Buckow ist das natürlich nicht schwierig, hier sind alle Romantiker, wenn sie nicht Neobiedermeier sind. Wohlbehagen wird hier großgeschrieben. Ich persönlich fühle dann sofort ein Unbehagen in mir aufsteigen. Es ist zu schön, um wahr zu sein!

Der Wookie sagt, ich dürfe mich ganz auf die Welt einlassen, die mich umgibt. Was mir begegnet, möge ich ohne Vorurteil und mit offenem Herzen im Hier und Jetzt wahrnehmen.

Ich habe da sofort tausend Fragen im Hier und Jetzt.

Er sagt, es geht letztlich darum, den Verstand ruhen und den Geist wirken zu lassen. Das finde ich wiederum eine ganz interessante Methode. Er hat das wohl von einem Jediritter gelernt. Darüber möchte ich unbedingt mit ihm das nächste Mal sprechen. Er überlegt sich, wieviel er davon preisgeben will.
Wir sitzen auf unserem Bänkchen und werden ganz still. Die Geräusche um uns herum werden lauter. Der Wookie kann zum Beispiel alle Vogelstimmen auseinanderhalten und bestimmen. Er ist ein großer Meister, der seinen Geist weit wirken lässt.

Ich bin Aromantikerin und zweifle ständig. Das schmerzt den Wookie, und sein Herz wird traurig. Dann muss er gehen, und ich höre ihn im Wald leise brüllen.

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